FLYBOTS Techtalk: 5 Fragen an Marc-André Gödeke (Rehkitzrettung Hannover e.V.)
In unserem FLYBOTS Techtalk möchten wir es genauer wissen und haben daher Marc-André Gödeke, 1. Vorsitzender des Netzwerks Rehkitzrettung Region Hannover e.V., eingeladen, uns mehr zum Thema Rehkitzrettung und dem damit zusammenhängenden Einsatz von UAS zu erzählen. Sie erfahren mehr zur Entstehung des Netzwerks, wie eine Such-Aktion abläuft und wie zuverlässig die Suche per Drohne wirklich ist.
1) Ein paar Worte zu Ihnen. Wie lange sind Sie im Bereich UAS tätig und was fasziniert Sie persönlich daran?
Ich beschäftige mich seit 2014 mit den Anwendungsmöglichkeiten von UAS. In diesem Jahr habe ich meine erste Drohne angeschafft und diese nebengewerblich für Luftbildaufnahmen eingesetzt. Zu dieser Zeit gab es noch keine fertigen „ReadyToFly“ Systeme, es bedurfte also vieles an Bastelarbeit, um halbwegs hochwertige Aufnahmen zu produzieren. Faszinierend war zu diesem Zeitpunkt für mich, dass ich meine Leidenschaft der Fotografie um völlig neue Perspektiven erweitern konnte. Während ich meine ersten Aufnahmen noch mit der damals üblichen Technik der Intervallaufnahmen ohne Bildübertagung zum Boden machte, begeisterte mich besonders die Live-Übertragung des Kamerabildes, welche ich durch eine nach Anleitung aus dem Internet selbst gebastelte Video-Funkstrecke realisierte. Die Option auf einige größere Aufträge bewegten mich dann im Folgejahr zum Kauf des etwas hochwertigeren Komplett-Systems mit integrierter, hochauflösender Kameratechnik. Neben der reinen Fotografie rückten damit auch Videoaufnahmen und interaktive 360 Grad Panoramen aus der Luft in den Fokus meines Gewerbes.
2) Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr Netzwerk „Rehkitzrettung Region Hannover“ zu gründen? Wie kann man Teil Ihres Netzwerks bzw. Ihrer Drohnen-Teams werden?
Meine gewerbliche Tätigkeit im Bereich der UAS ist leider in den folgenden Jahren zum Erliegen gekommen, ich hatte einfach keine zeitlichen Kapazitäten, um die notwendige Kundenakquise voranzutreiben. Es blieb also bei einem kleinen Nebengewerbe mit kleinen Projekten. Die Weiterentwicklung der Technologie faszinierte mich aber nach wie vor. Im Jahre 2016 nahm ich zum ersten Mal Kenntnis von der Thematik der Rehkitzsuche mittels Wärmebild-Drohnen. Es waren teilweise Forschungsprojekte von Universitäten, aber auch private Bastler, die sich damit beschäftigten und erste Erfolge veröffentlichten. Finanziell war das damals jenseits meiner Möglichkeiten, eine Wärmebild-Kamera für diese Zwecke anzuschaffen, geschweige denn in die Luft zu bekommen. Da ich als überzeugter Tierschützer aber in dieser Anwendung Möglichkeiten sah, diese geniale Technik wirklich sinnvoll zu nutzen, verfolgte ich die Entwicklung weiter. Als die ersten Anbieter halbwegs bezahlbare Komplett-Lösungen für Wärmebild-Drohnen auf den Markt brachten, setzte ich alle Hebel in Bewegung um solch ein Gerät in meinem Heimatort (damals Langenhagen-Kaltenweide) einsetzen zu können. Ich verkaufte meine mittlerweile abgeschriebene Foto-Drohne und konnte mithilfe weiterer privater Sponsoren pünktlich zur „Saison“ 2018 ein Komplettsystem mit Wärmebildkamera anschaffen. Ich rührte ein wenig die Werbetrommel bei den umliegenden Jagdgenossenschaften und flog im Mai 2018 bereits die ersten Einsätze. In den Folgejahren wuchsen mir die Anfragen über den Kopf, ich lernte weitere PilotInnen in der Umgebung kennen, die Rehkitz-Suchen anboten und wir bildeten ein loses Netzwerk zum Austausch und vor allem zur Koordination der Anfragen, die je nach Wetterlage in den Hauptwochen der Mahd (Heuernte) oft gehäuft auftreten und allein nicht zu händeln sind. Die Vereinsgründung erfolgte aus diesem Netzwerk heraus allerdings erst 2021. Durch die Eintragung als gemeinnütziger Verein waren wir in der Lage, am Förderprogramm des BMLE teilzunehmen und somit 2 leistungsstarke Drohnen für eine optimierte Rehkitzsuche anzuschaffen. Diese waren in der letzten Saison 2022 erstmals im Einsatz. Unser Verein „Netzwerk Rehkitzrettung Region Hannover e.V.“ freut sich immer über neue PilotInnen, die bereit sind uns bei den Suchaktionen frühmorgens zu unterstützen. Aber nicht nur PilotInnen, sondern auch die Spotter und die Helfenden im Feld sind wichtige Stützen unserer Arbeit. Interessierte können sich gerne über die auf unserer Homepage (www.rehkitzrettung-hannover.de) angegebenen Kontaktmöglichkeiten mit uns in Verbindung setzen. Neben aktiven Mitgliedern sind wir auch immer auf der Suche nach Fördermitgliedern und SponsorInnen, um unsere Arbeit weiterhin ehrenamtlich anbieten zu können.
3) Erzählen Sie uns doch bitte, wie eine Such-Aktion abläuft und wie zuverlässig eine Suche per Drohne ist.
Bei der Suche nach Rehkitzen in einer zu mähenden Fläche wird diese autonom oder manuell mit der Drohne in Streifen abgeflogen. Der/die PilotIn und ein Spotter verfolgen dabei auf einem Bildschirm am Boden das Live-Kamerabild und achten auf Wärmesignaturen, die auf ein Rehkitz oder anderes Lebewesen deuten könnten. Auffällige Stellen werden daraufhin vom Helfer-Team am Boden überprüft. Handelt es sich um ein Rehkitz oder auch ein anderes Wildtier, welches mangels Fluchtreflex durch das Mähwerk zu Schaden kommen würde, wird es gesichert. Dabei gibt es verschiedene Vorgehensweisen, welche die jeweilige Jagdausübungsberechtigte Person in Abstimmung mit dem/der LandwirtIn vorgibt. Meist werden die Tiere an den Rand der Wiese getragen und dort mit geeigneten Behältern, zum Beispiel Körben, bis zur Beendigung der Mahd gesichert. Danach werden sie wieder freigelassen und in der Regel vom Muttertier wieder angenommen. In manchen Fällen werden auch kleine Inseln in der Wiese stehen gelassen, also in ausreichend Abstand um die gesicherten Tiere herum gemäht. Grundsätzlich wird versucht, die Tiere so wenig wie möglich zu stressen und nach möglichst kurzer Zeit wieder zu entlassen. Die Suche per Wärmebild-Drohne ist dabei äußerst effektiv, effizient und schonend im Vergleich zu den bisher üblichen Methoden wie Absuchen der Felder mit Menschenketten und Einbringen von Störelementen (z.B. Fähnchen oder elektronische Geräuschgeber). Innerhalb kürzester Zeit können riesige und unwegsame Flächen abgesucht werden, die Fehlerquote ist dabei sehr gering. Zudem kann eine Suche am Morgen direkt vor Beginn der Mahd erfolgen, das minimiert das Risiko, dass über Nacht neue Jungtiere im hohen Gras gesetzt werden oder dort hineingeführt werden. Der Drohneneinsatz an sich bietet keineswegs eine hundertprozentige Sicherheit, aber die Fehlerquote durch technisches oder auch menschliches Versagen ist verschwindend gering geworden. Die ständige Weiterbildung und Verbesserung der Drohnen-Teams ist auch ein zentrales Ziel unseres Vereins.
4) Was muss vor/während dem Drohnen-Flug beachtet werden und wie lange dauert ein Einsatz ungefähr?
Vor einem Drohneneinsatz müssen, wie bei jedem anderen Einsatz von UAS auch, die üblichen Flug-Vorbereitungen und Planungen erfolgen. Es gilt zu prüfen, ob die abzusuchende Fläche von Flugeinschränkungen betroffen ist, ob besondere Genehmigungen erforderlich und vorhanden sind und letztendlich auch, ob die meteorologischen Bedingungen passen werden. Die Herausforderung ist hierbei insbesondere die Kurzfristigkeit der Anfragen. Die Mahd hängt sehr eng mit den Wetterbedingungen zusammen, nur wenn das Heu in den folgenden Tagen vernünftig trocknen kann, macht die Mahd Sinn. So entstehen oftmals sehr kurzfristige Aufträge. Unser Appell an die AuftraggeberInnen lautet daher, uns zumindest die Flächen schon so früh wie möglich mitzuteilen, unabhängig vom konkreten Termin können so schon viele Vorbereitungen im Vorfeld erledigt werden. Der Einsatz an sich dauert dank der neuen Technik dann nicht sehr lange, einen Hektar Fläche suchen wir mittlerweile in unter 10 Minuten ab. Zeitaufwändig wird dann eher, wenn es viel Funde gibt und die Teams weite Strecken laufen müssen. Auch diesen Vorgang trainieren wir mit unseren aktiven Mitgliedern und suchen nach weiterem Optimierungs-Potential. Zusätzlich zu den flugrechtlichen Rahmenbedingungen kommt noch als Faktor hinzu, dass die Rehkitzsuche per Definition in Niedersachsen als Jagdausübung eingeordnet ist. Das heißt, alle Einsätze dürfen nur in Kooperation mit der jeweiligen Jagdausübungsberechtigten Person erfolgen. Andernfalls würde das Aufspüren von Wild als Wilderei geahndet werden können. Wir sind also auf die gute Zusammenarbeit mit den LandwirtInnen und JagdpächterInnen angewiesen, um helfen zu können.
5) Was wünschen Sie sich seitens der Politik bezüglich der weiteren Entwicklung des Marktes in der Bundesrepublik?
Wir freuen uns über das verlängerte Angebot der finanziellen Förderung zur Anschaffung von Drohnen für die Rehkitzsuche durch das BMLE. Dies ermöglicht noch mehr Organisationen den Einsatz der Geräte für den Tierschutz. In der Region Hannover sind wir mittlerweile insgesamt sehr gut aufgestellt, neben uns haben auch bereits einige Jägerschaften selber Drohnen im Einsatz. In anderen Regionen Deutschlands sieht es hingegen noch etwas anders aus. Uns erreichen vor allem aus den neuen Bundesländern immer mal wieder Anfragen, die wir leider nicht vermitteln können. Ziel sollte es auf Bundesebene sein, dass die Durchführung der effektiven Suche flächendeckend angeboten werden kann. Die Unterstützung der Politik ist dafür mit der Förderung bereits vorhanden.